Rückblick auf die Sensorikschulung mit Julia Nourney vom 10 November 2019
Erinnert ihr euch? Vor einem halben Jahr saßen wir unbeschwert zusammen und frönten unserer gemeinsamen Leidenschaft. Wie einschneidend und umfassend die Welt sich inzwischen verändert hat, ist mehr als faszinierend und erschreckend. Daher an dieser Stelle ein Rückblick auf die „guten, alten Zeiten“.
Whisky, ein Fest für die Sinne: Sehen, hören, riechen, schmecken und genießen.
Auch wenn wir uns meist um Objektivität bemühen, so tragen wir doch mehr oder minder unbewußt „Bilder im Kopf“ mit uns herum. Wir haben Vorlieben und Abneigungen. Schon der Name einer Destillerie oder eines Herkunftslandes ist seeliger Wohlklang oder blanker Horror. Recht schnell werden die eigenen Lieblinge hochgejubelt und die vermeintlich „bösen“ Whiskys verteufelt.
Halt, Stop, Schluß damit! Das Wasser des Lebens, in all seiner Vielfalt, mal wieder völlig vorurteilsfrei erkunden, das war die Intention dieser Veranstaltung.
Mit Julia Nourney konnten wir eine der versiertesten Referentinnen zu diesem Thema gewinnen. Ihr besonderer Vorzug: Sie ist unabhängig und steht nicht auf der Lohnliste eines Whiskyproduzenten. Sie beschäftigt sich seit mehreren Jahrzehnten mit Whisky, Grappa, Obstbränden und anderen edlen Spirituosen. Als selbstständige Beraterin unterstützt sie Produktionsbetriebe bei der richtigen Wahl der Herstellungs- und Reife-Verfahren. Als „Contract-Blender“ arbeitet sie für einige Hersteller und trägt damit Verantwortung für die Qualität der ihr übertragenen Whiskyprodukte.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurden die Whisky-Proben in Gläser abgefüllt. Alle vorsorglich vorab in neutrale Flaschen umgefüllt, so dass nicht einmal die Flaschenform etwas über die Herkunft der Proben verraten konnte.
Zum Start der Schulung wurden die Grundlagen einer Verkostung in Erinnerung gerufen. Wie bewegt sich der Whisky im Glas, wie bilden sich die Legs aus, wie alt könnte der Whisky sein? Wie hoch ist der Alkoholgehalt, was verrät der Blasentest? Was sagt uns unsere Nase, welche Gerüche erkennen wir?
Dann, der erste Schluck: Im Mund kreisen lassen, fokussieren, Luft einlassen, spülen, schlucken und über den Mund ausatmen. Was nehmen wir wahr, welcher Erinnerungen werden geweckt? Können wir das Faß oder gar eine Nachreifung erkennen? Wo kommt der Proband her? Können wir das Land oder gar die Destillerie identifizieren?
Nach dem theoretischen Rückblick ging es neugierig ans Werk. Acht Whiskys galt es zu verkosten. Jeder der rund 30 Teilnehmer musste in aller Stille seine eigenen Eindrücke sammeln und bewerten. Ohne den sonst üblichen gegenseitigen Austausch, ohne Fachsimpelei. Nur Whisky, Wasser und das eigene selbst.
Nach rund einer dreiviertel Stunde war es geschafft. Die Proben waren bewertet, das persönliche Ranking wurde festgelegt.
Nun die spannende Frage: Was versteckt sich hinter den einzelnen Proben? Gleich vorweg, die Auflösung der achten Proben brachte einiges an Überraschungen. Als Favorit des Abends wurde Probe Nr. 7 gekürt, gefolgt von Nr. 8 und Nr. 6
Hier die Auflösung
Nr. 1 Schottland, Speyside, Glenfiddich 12 Jahre, 40 %
Nr. 2 Irland, Unabhängiger Abfüller Knappogue Castle, 12 Jahre, 40 %
Nr. 3 Irland-Amerika, Brothership Blended Whisky, 10 Jahre, 45 %
Nr. 4 Schottland, Highland, Edradour Caledonia, 12 Jahre, 46 %
Nr. 5 Schottland, Speyside, Aberlour, A‘Bunadh Batch Nr. 65, 59,5%
Nr. 6 USA, Bundesstaat Kentucky, Kentucky Straight Bourbon, Buffalo Trace, 40 %
Nr. 7 Indien, John Paul Bold, Peated, 46 %
Nr. 8 Schottland, Islay, Ardbeg Uigedail, 54,2 %
Richtig gelesen: Der Gewinner des Abends kommt aus Indien, und die Nr. 3 ist ein Bourbon aus den USA. Wer hätte das im Vorfeld auch nur ansatzweise vermutet? Die lebhafte Diskussion, die daraufhin ausbrach, die kann man sich nur ansatzweise vorstellen.
Für mich persönlich immer wieder überraschend, was bei einer Verkostung ohne „Bilder im Kopf“ so alles ans Tageslicht kommt. Die meisten Vorurteile (positive wie negative) lösen sich in Schall und Rauch auf. Ein besseres Plädoyer für ein vorurteilsfreies Erleben und Genießen gibt es kaum.
Auf das die Corona-Pandemie erfolgreich zurückgedrängt und bekämpft werden kann, und in hoffentlich baldiger Zukunft sich unser Leben langsam wieder normalisiert und wir wieder zusammenkommen können!
In diesem Sinne, bleibt gesund und achtet auf euch und euer Umfeld,
slainte mhath, euer Uwe